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  • AutorenbildStefan Bremler

† Der Selzer Chronist

Aktualisiert: 11. Feb. 2021

Otto Böcher, Pfarrer in Selzen von 1962-1964: Seine kurze Abhandlung „Selzen – Geschichte eines rheinhessischen Dorfes“ war die erste und später vielfach veröffentlichte Chronik unseres Dorfes. Mit ihr begann das nachhaltige Interesse der Selzer Bürger an Ihrer reichhaltigen Ortsgeschichte.

Am 27.02.2020 ist Prof. Dr. theol. Dr. phil. Otto Hermann Konrad Böcher im Alter von 84 Jahren in Mainz verstorben.

Prof. Dr. Dr. Otto Böcher, Quelle: Stadtarchiv Worms

Otto Böcher war von 1962 bis 1964 Pfarrer von Selzen. Eine kurze Zeit und dennoch hinterließ er Selzen ein besonderes und zeitloses Vermächtnis.

Er sichtete die Selzer Archive und Kirchenbücher, trug Daten und Hinweise zusammen und schrieb, in einer wohltuenden Art sich kurz zu fassen, die Geschichte von Selzen nieder.

Diese wurde später, von ihm mehrfach ergänzt, in mehreren Selzer Festschriften abgedruckt.


"Selzen um 1700", Zeichnung von Otto Böcher in: Mitteilungsblatt zur rheinhessischen Landeskunde, 13/1, 1964

Er schloss damals seine Abhandlung mit der Feststellung:

Es ist erstaunlich, das ein verhältnismäßig kleines Dorf wie Selzen eine so reiche Geschichte aufweist, und es ist schmerzlich, wie der Wechsel von Herrschaften und Meinungen sich in einem stetigen Verlust des Alten und Schönen auswirkt. ¹

Und so gemahnte er die Selzer für die Zukunft:

Auch einem Dorf erwachsen aus seiner Geschichte Verpflichtungen. Es gilt von den Zeugen der Vergangenheit zu erhalten, was immer erhalten werden kann. ... Nur wer das Vergangene ehrt, hat ein Recht auf Zukunft." ¹

Ich fürchte, in diesem Punk könnten wir Otto Böcher leicht enttäuscht haben.


"Ev. Kirche Selzen", Zeichnung von Otto Böcher in: Mitteilungsblatt zur rheinhessischen Landeskunde, 13/1, 1964

1998 konnte er noch einmal für Selzen gewonnen werden, um die sensationellen Entdeckungen, die bei der Renovierung der Evangelischen Kirche zutage traten, zu bewerten.

"Im Verlauf dieser Bauarbeiten traten so viele unerwartete Entdeckungen und Funde zutage, daß die Baugeschichte der Selzer Pfarrkirche weitgehend neu geschrieben werden muß." ²

Dies tat er sogleich mit bemerkenswerter Kompetenz in Kunst- und Kirchengeschichte und seinem rhetorischem Talent. Er hinterließ damit einen weiteren bleibenden Beitrag zur Selzer Geschichte.


Zur Person


Otto Hermann Konrad Böcher wurde 1935 als Sohn eines Diakons in Worms geboren. Nach seinem Abitur in Worms studierte er Evangelische Theologie, Kunstgeschichte und Philosophie an den Universitäten Mainz und Heidelberg. 1958 wurde er im Fach Kunstgeschichte zum Dr. phil. promoviert, 1963 im Fach Neues Testament zum Dr. theol. Nach seiner Zeit als Pfarrer in Selzen (1962 - 64) war er von 1963 bis 1968 wissenschaftlicher Assistent an der Universität Mainz. 1968 habilitierte er sich für das Fach Neues Testament in Mainz und wurde dort Privatdozent, 1971 außerplanmäßiger Professor. Er lehrte von 1975 bis 1978 in Saarbrücken Religionspädagogik und war von 1978 bis zu seiner Emeritierung (Entpflichtung) 2003 in Mainz als Professor für Neues Testament tätig. ³


Prof. Dr. Dr. Otto Böcher, Quelle: Stadtarchiv Worms
Otto Böcher veröffentlichte über 450 vielbeachtete Beiträge, Aufsätze und Bücher zur Bibelwissenschaft, Kirchen-, Kunst- und Kulturgeschichte.

Darunter auch die kurzen Abhandlungen über Selzen:

  • Aus der Geschichte Selzens, in: Festschrift zur 75-Jahr-Feier des Evangelischen Kirchenchores in Selzen (Rheinhessen), 1963

  • „Selzen – Geschichte eines rheinhessischen Dorfes, in: Mitteilungsblatt zur rheinhessischen Landeskunde 13, 1964

  • „Selzen – ein geschichtlicher Überblick“, in: Jubiläumsbuch zur 1200-Jahrfeier der Weinbaugemeinde Selzen, 1982

  • „Neue Beiträge zur Baugeschichte der evangelischen Pfarrkirche in Selzen“, in: Festschrift 250 Jahre Evangelische Kirche Selzen, 1998

Otto Böcher hat die Region Rheinhessen intensiv beforscht und dokumentiert. Er engagierte sich ab 1954 im Vorstand des Altertumsvereins in seinem Geburtsort Worms. Seine Promotion über die Wormser Synagoge ist eine der Grundlagen für die Anmeldung der SchUM-Städte (Verbund der jüdischen Gemeinden in Mainz, Worms und Speyer) für das UNESCO-Welterbe. ⁵

Neben dem Ehrenring der Stadt Worms wurde ihm 2014 der Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz verliehen.


Der Ordensträger Prof. Dr. Dr. Otto Böcher mit der Ministerpräsidentin, 10.12.2014; Bild: Pulkowski / © Staatskanzlei

Malu Dreyer bei dem Festakt:

„Wir stellen Menschen in den Mittelpunkt, die unser Land auf ihre ganz besondere Weise prägen und denen wir viel zu verdanken haben. Für Verdienste, die sie zum Teil bereits über Jahrzehnte erbringen. ... Ihr Engagement ist mehr als jede Form von Pflichterfüllung. Es ist ein Anker in unserer sich so schnell verändernden Welt.“ ⁵

Seine „Geschichte eines rheinhessischen Dorfes“ ist der Anker und Ausgangspunkt dieser Blog-Seiten. Sie starten mit seinen oben zitierten Worten und somit sind sie seiner Mahnung an den Erhalt der Zeugen der Vergangenheit gewidmet.

Vielen Dank, Otto Böcher.


Quellen:

¹ Vgl. u. a. "Die Geschichte des Dorfes Selzen" von Otto Böcher, in: Festschrift: 1200-Jahrfeier der Gemeinde Selzen, 1982, Seite 23-35.

² Vgl. „Neue Beiträge zur Baugeschichte der evangelischen Pfarrkirche in Selzen“ von Otto Böcher, in: Festschrift 250 Jahre Evangelische Kirche Selzen, 1998, Seite 9-23

³ Vgl. Seite „Otto Böcher“, in: Wikipedia, die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 10. März 2020. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Otto_B%C3%B6cher&oldid=197634956

⁴ Vgl. "Bibliographie Otto Böcher" von Traudl Himmighöfer, in: Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung, Festschrift für Otto Böcher zum 70. Geburtstag, hg. v. Friedrich Wilhelm Horn und Michael Wolter, 2005. URL:

⁵ Vgl. "Zwölf Orden für große Verdienste", Internetseite der Landesregierung Rheinland-Pfalz, 2014. URL: https://www.rlp.de/de/aktuelles/einzelansicht/news/detail/News/zwoelf-orden-fuer-grosse-verdienste/

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