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  • AutorenbildStefan Bremler

Viel Heim, wenig Loch

Aktualisiert: 17. Jan. 2022

Warum nicht Selzenheim, Selzenfurt oder Selzenbach? Was der Name uns über Selzen erzählen kann.

"Das Wesen der Dinge lag einst in ihrem Namen, den die Menschen ihm gaben. Der Name war Same, war Keim und war Botschaft, die sich im Laufe der Zeit verlor." (Christa Schuboll, deutsche Autorin)
Ortseingangsstein von Selzen

Größtenteils Heim-Kinder in Rheinhessen

In Rheinhessen gibt es 214 Städte und Dörfer. 152 davon, also mehr als 70%, enden auf ...heim.

Ganz weit abgeschlagen mit insgesamt 40 Endungen all die wenigen ...höfe, ...borne, ...löcher, ...steine, ...berge, ...städte, ...hausen, ...bächer, ...burgen, ...weiler, ...wiesen, ...höhen, ...fahrten, ...felder, ...brücken, ...blumen, ...auen und ...täler.


Und dann gibt es 22 Namen, die nicht unmittelbar diesen Gruppen zugeordnet werden können wie z. B. Mainz, Bingen und ... ja, Selzen.


Und da sind wir auch schon beim Thema. Was sagt uns der Name über unseren Ort bzw. was sagt er uns nicht?


In Ortsnamen spiegeln sich, je nach Situation zum Zeitpunkt der Namensvergabe, natürliche Gegebenheiten, Ereignissen oder Personen wieder. Sehr oft geben die Namen einen Hinweis auf den Gründer des Ortes bzw. den Grundherren. Zwecks besserer Unterscheidung wurde dann eine Standortbezeichnung hinzugefügt, wie -heim, -hausen oder -dorf, Gewässernamen wie -au, -bach oder -see bzw. Flurbezeichnungen wie -feld oder -moos.¹


SiebenAchtZwei... Selzen schlüpft aus dem Ei


Auszug aus dem Lorscher Codex

Viele der frühen Ortsnamen sind uns durch kirchliche Überlieferung, z.B. aus Anlass von Besitzübertragungen oder Güterverzeichnissen, überliefert.¹


In den Archiven des Kloster Lorsch werden zwischen 764 und 800 zahlreiche Orte erstmalig erwähnt, unter anderem auch Selzen (782).








Der Zeitpunkt der ersten Erwähnung sagt aber noch nichts über das tatsächliche Alter der Siedlung aus.¹

Man kann die Form des Ortsnamens (z.B. die -heim-Orte) nicht bestimmten germanischen Stämmen zuordnen. Ohne Zweifel wurden aber zu bestimmten Zeiten bestimmte Ortsnamen bevorzugt; d.h. der Name einer Siedlung gibt einen Hinweis auf ihr Alter.¹


In der nachrömischen Zeit des 6. und 7. Jahrhunderts waren fränkische Neugründungen mit neuen Ortsnamen, die zumeist auf -heim enden, die Regel. Diese Ortsnamen sind zumeist Besitzernamen und mit dem Namen des (Neu-)Gründers der Siedlung verbunden. Die Personennamen sind aber oft durch die Sprachentwicklung so weit verändert, dass sie in ihrer ursprünglichen Form nur schwer wiederzuerkennen sind.¹


Beispiel mit unseren Nachbarn?

Elsheim, 1170/80 als Igilsheim erstmals erwähnt, ist das Heim des Egil. Essenheim, 1145 Isenheim genannt, ist das Heim des Iso. Jugenheim, das 1289 als Guginheim in der Überlieferung auftaucht, ist das Heim des Gugo. Klein-Winternheim, 1189/90 erstmals als Wintirheim erwähnt, ist das Heim des Wintero.¹


Und Hahnheim?

Der Name Hahnheim geht wohl nicht, wie das aktuelle Wappen vermuten lässt, auf den Hahn zurück, sondern auf einen fränkischen Adeligen namens Hagen, bzw. Hagano. Somit ließe sich erklären, warum im Lorscher Codex "Hagenheim" geschrieben steht. Über Hegenheim (793), Hainheim (1311) und Hanheim (1316) hat sich der Name erst zu Hahnheim entwickelt.²


Einfach aber alt


Jetzt zu Selzen. Einfache Namen sind oft die Ältesten. Das gilt vor allem für die Gewässernamen (Selz, Nahe, Rhein), aber auch für Siedlungsnamen (Mainz, Bingen, Olm, Selzen usw.). Kontinuität des Namens ist ein Zeichen für Kontinuität der Siedlung, auch wenn die ethnische Zusammensetzung der Bewohner sich gewandelt hat.¹


Im Beispiel Selzen hat sich auch nach 782 der Name immer wieder leicht geändert. Quellen sprechen von Salsen (782), Selsun (1158), Selza (1200), Sulzen (1215), Selzin (1281), Selse (1286), Selsen uf dem gauwe (1377), Zu Selse (1429) und Selsen (1787).

Aber bedenkend des lateinischen Namens der Selz (Salusia) könnte der Name schon in römischer Zeit ähnlich gelautet haben (Salsa oder Salisia), vielleicht sogar schon seit vorrömischer Zeit. Denn die Römer haben zum Teil die keltischen Namen der Siedlungen übernommen, wie auch germanische Stämme auf keltische und römische Vorgängernamen zurückgriffen.³ ⁴


Im Falle von Selzen wurde wohl der alte Name einfach übernommen. Und somit ist der vorgermanische Flussname (Salusa) auch bis heute als Ortsname weitergegeben worden. Vielleicht auch, weil Selzen seit frühester Zeit aus drei Siedlungen bestand, die später zusammengewachsen sind. "Dreiheim" war wohl keine Option.


Ähnlich ist es auch in Ober- und Nieder-Olm gelaufen. Während die verbliebene römische Bevölkerung den alten Namen "Salusia", der sich schließlich auch durchsetzte, verwendet, ist anzunehmen, dass "Ulmena" der Name war, den die germanischen Siedler zwischen Ober-Olm und Nieder-Olm der Selz gegeben haben. Dies ist somit die Erklärung für den Namen -Olm.


Aus Mommenheim wird Mummerum


Apropos Sprachentwicklung: Dass die Ortsnamen auch heute noch einem Lautwandel unterliegen, zeigt die Betrachtung der Dialektformen. In den örtlichen Mundarten sind die -heim-Endungen längst zu einem bloßen -um abgeschwächt.¹


Wenn heute nicht alles schriftlich festgehalten und die Welt nicht so klein geworden wäre, würden wir in Selse leben und unsere Nachbarorte wären Hohnum, Mummerum, Unerum, Obenum, Kingerum und Schwosberch ...


... und ich würde hier schreiben, dass 70% der rheinhessischen Siedlungen mit ...um enden.


Quellen:

Alle Bilder von Stefan Bremler

¹ Vgl. Albrecht Greule, Die Ortsnamen im Kreisgebiet, 1983 (?), https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/aufsaetze/ortsnamen.html

³ Vgl. Marschall Chroniken, Selzen - Geschichte und Geschichten einer Selztalgemeinde, 2007, Seite 17

⁴ Vgl. Karl Johann Brilmayer, Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart, 1905, Seite 431

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