Weyerstraße 5: Erinnerungen von Horst Strubel – Eine Kindheit zwischen Hitlers Geburtstagen, Hausschlachtungen, Luftkrieg und französischer Besatzung.
(Anmerkung: Der nachfolgende Text ist ein überarbeiteter und ergänzter Auszug aus den niedergeschriebenen Erinnerungen und Gedanken von Horst Strubel aus Selzen. Seine Aufzeichnungen, abgefasst für seine Kinder und Enkel, beleuchten mehr als 70 Lebensjahre. Sie erzählen vom Aufwachsen während des 2. Weltkriegs und enden mit dem Abriss des Geburtshauses im Jahr 2010 nach einem Dachstuhlbrand. Nachfolgend beschränken wir uns auf die Geschehnisse bis zum Ende seiner Schulzeit im Jahr 1950.)
Geboren bin ich am 9. Oktober 1935 in Mainz. Meine Eltern waren Ernst Strubel und Maria Strubel, geb. Hinkel.
Eine meiner frühesten Erinnerung betrifft ausgerechnet den Geburtstag des Führers. Kinderaugen sind so leicht zu beeindrucken. Ich weiß noch, dass der Geburtstag von Adolf Hitler am 20. April in Selzen groß gefeiert wurde. Alle Häuser wurden geschmückt und mit Hakenkreuzfahnen versehen.
"Wer dabei nicht mitmachte wurde schief angeschaut."
Ich lebte zu dieser Zeit mit meiner Mutter und meiner Schwester Hildegard in der Weyerstraße 5 in Selzen. Zu der kleinen Familie gehörte auch mein Opa Balthasar Hinkel, der 3 Wochen vor Kriegsende 1945 starb. Seine Frau, meine Oma, war schon vor meiner Geburt gestorben. Mein Vater war 1939 eingezogen worden und kämpfte an der Front.
Unser kleiner Hof"staat"
Wir hatten einen kleinen Gemischtbetrieb mit Viehhaltung, Weinbau und Ackerwirtschaft.
Wir besaßen zwei Fahrochsen für unsere Fuhrwerke und einige Milchkühe. Daneben wurden auch Schweine für den Verkauf und die eigene Schlachtung groß gezogen. Meine Mutter verkaufte jede Woche Eier und selbst gemachte Butter an Bekannte und Verwandte in Mainz. Dazu fuhr ich jede Woche mit einer guten Bekannten der Familie nach Mainz und erlebte, anders als in dem relativ ruhigen Selzen, Fliegerangriffe und Zerstörung. Auch Gänse, die in der Weihnachtszeit verkauft wurden, lebten auf unserem Hof.
Es gab viel zu tun und da die meisten Männer an der Front waren, mussten alle mit anpacken. Auch waren viele Polen als Kriegsgefangene zur Unterstützung nach Selzen gebracht worden. Auf unserem Gehöft arbeitete der Pole Johann.
In der damaligen Zeit gab es keine Zentralheizung, kein Bad und keine Dusche. Unsere Toilette war in einem kleinen Häuschen im Hof, gleich neben der Mistkaut. Das Familienleben spielte sich hauptsächlich in der Küche ab. Hier wurde gekocht, gegessen und gewaschen. An Samstagen wurde warmes Wasser zubereitet und die Waschbütt in die Küche geholt. Dann wurde wir Kinder von Mutter gewaschen und geschrubbt.
♫ Do werd die Sau geschlacht, Wuzz, Wuzz, do werd die Worscht gemacht, ... ♫
Nicht nur für uns Kinder war es ein besonderer Tag, wenn eine Hausschlachtung anstand. Stunden vor Ankunft des Schlachters wurde der Kessel mit Wasser gefüllt und mit „Rebenwellen“ angeheizt. Das Rebenholz stammte aus den eigenen Weinbergen. Es wurde mit der Hand aufgelesen und – ähnlich Reisigbündeln – zu Wellen gebunden. Das Holz musste vor Gebrauch ein Jahr lang getrocknet worden sein. Um 8 Uhr erschien dann unser Metzger, genannt Metzger-Peters-Otto. Da es so viele Binzel in Selzen gab, behalf man sich mit Spitznamen. Metzger-Peters-Otto hieß eigentlich Otto Binzel und war der Sohn des Metzgers Peter Binzel. Otto war ein Altersgenosse von meiner Mutter und wohnte ebenfalls in der Weyerstraße.
Dann ging es an die Arbeit. Dem Schwein wurde zunächst ein „Kälberstrick‘ ans Bein gebunden. Vorsichtig wurde es in die Scheune getrieben. Vorsichtig deshalb, weil aufgeregte Schweine erfahrungsgemäß zu einer schlechteren Fleischqualität führen konnten. Der Metzger holte sein Werkzeug zum Betäuben des Schweines aus dem Korb und ...
(... hier verzichten wir auf die sehr detaillierte und genaue Schilderung der weiteren Vorgehensweise. Vielleicht wird daraus eines Tages ein eigener Bericht für „ganz Hartgesottene“. Wobei natürlich zu sagen ist, was sich heute nur schwer erträglich lesen lässt, war damals ein ganz gewöhnlicher und vertrauter Vorgang und zur Versorgung der Land-Familien unerlässlich.)
Zur damaligen Zeit deckten wir etwa 95% unseres Bedarfs an Lebensmittel aus der eigenen Viehzucht, Landwirtschaft und dem eigenen Wein- und Obstanbau. Fast jeder Haushalt hatte eine Kammer in der Wein, Wurst, Fleisch und Obst gelagert wurde. Es gab noch keine Kühlschränke oder Gefriertruhen für eine längere Vorratshaltung. Das Fleisch aus der Hausschlachtung wurde daher für die Haltbarkeit in Holzbottichen (Stenner) eingesalzen. Die Wurst und der Schinken wurden geräuchert und in Leinensäcken verpackt, die Bratwurst luftgetrocknet. Dosenwurst und die Dosen wurden abgekocht.
"Für uns Kinder war es eine vergnügliche Herausforderung, eine luftgetrocknete Bratwurst zu stibitzen, ohne dass es Mutter merkte."
Die Hausschlachtung war harte Arbeit. Daher wurde am Abend mit frischer Wurst und Fleisch mit Sauerkraut und Kartoffelpüree kräftig gefeiert. Mit Metzger Otto wurde Karten gespielt und getrunken bis der Tag zu Ende ging.
Horizont in Flammen
Und dann kam der Krieg mit den schweren Luftangriffen auf Mainz, Darmstadt und Frankfurt zu uns. Am Abend, wenn es dunkel wurde, kamen die ersten Flieger aus England und setzten Leuchtmarkierungen ein. Wir nannten sie „Schirmchen“, weil sie langsam zum Boden schwebten. Dann war der Himmel taghell erleuchtet, so dass die Bomber gute Sicht hatten zum Abwurf ihrer Bomben. Wir Kinder sind in den Weinberg gelaufen und haben uns das traurige Ereignis angeschaut. Vom Osterberg aus konnte man es gut sehen.
Die deutsche Wehrmacht hatte zwischen Selzen und Mommenheim Schützengräben ausgehoben und Flak-Geschütze (Flugabwehrkanonen) aufgebaut. Dort standen auch Strahler, mit denen die feindlichen Flugzeuge für die Geschütze sichtbar gemacht wurden. War kein Fliegeralarm, konnten wir Kinder tagsüber die Stellungen besuchen. Flakhelferinnen und Flakhelfer unterstützten dort als Hilfspersonal nur ganz wenige reguläre Soldaten.
Der Besuch war nicht ungefährlich, weil es immer wieder vorkam, dass Tiefflieger mit Maschinengewehrfeuer auf Fuhrwerke und Erntehelfer schossen. Dann versteckte man sich in den Weinbergen zwischen der Weinstöcken. In einer Nachbargemeinde wurde eine Familie beim Trauben lesen mitsamt den kriegsgefangenen Polen erschossen.
Natürlich wurde von 1944 bis zum Kriegsende der Schulunterricht oft wegen Fliegeralarm unterbrochen. Dann gingen wir ganz schnell mit unserer Lehrerin Emma Hufenüssler in den Keller und warteten auf die Entwarnung. Viel gelernt haben wir in dieser Zeit nicht.
Kleine Ausflüge aus dem Alltag
Aber trotz Krieg gab es auch schöne Erlebnisse. Obgleich überall Mangel herrschte, hatten wir durch die eigene Landwirtschaft genug zu essen und trinken. Mit meinem Opa, Balthasar Hinkel, bin ich oft mit Ochs Seppel und Pflugkarren nach Zornheim gefahren. Bei der Familie Sieben haben wir unseren Ochsen ausgespannt und gefüttert. Die Familie Sieben hatten einen riesigen Garten mit vielen Sorten Obst. Wir haben – natürlich gegen Bezahlung – Äpfel, Zwetschgen und Mirabellen gepflückt bis unser Karren voll war. Aber am schönsten war es immer im Haus. Die Hühner kamen in die Küche und liefen über Tische und Stühle. Oma Sieben, im Alter meines Opas, gab meinem Großvater immer Rotwein zum Trinken. Aber der Wein war nicht gepflegt und hatte Konnen und Fäden.
"Immer wenn er unbeobachtet war, entsorgte Opa unauffällig den Wein."
Wenn die Glocken läuteten sprangen alle auf und liefen in die Kirche.
Dann war es Zeit für den Rückweg nach Selzen. Die Fahrt dauerte eine Stunde und dann war der Tag natürlich gelaufen.
Wir hatten noch einen zweiten Ochsen, unseren Hans. Er war "ritzerot" und sehr schwierig einzuspannen. Er machte jedem nach und der ein oder andere wurde auch auf die Hörner genommen. Ich verstand mich aber ganz gut mit ihm.
Die "Amis" kommen
Im März 1945 ging der Krieg langsam zu Ende, der Kanonendonner kam immer näher. Wie überall wurden auch in Selzen Panzersperren gebaut. Sie befanden sich in Höhe des Pfarrhauses in der Gaustraße und am Garten der Familie Eibach/Kessel in der Bahnhofstraße. Abends wurden diese von Teilen der Bevölkerung – auch mithilfe der Kinder – wieder entfernt. Die Panzer hätten sonst die Häuser in Schutt und Asche gelegt. Viele Selzer – vor allem jene, die aufgrund ihrer Rolle im 3. Reich etwas zu befürchten hatten – waren bereits über den Rhein geflohen.
Dafür waren viele ausgebombte Mainzer in Selzen. Sie kamen bei Freunden, Bekannten oder Verwandten unter und halfen das Vieh zu füttern, den Hof zu bewirtschaften und den Haushalt zu erledigen. Die polnischen und weißrussischen Gefangenen hatten sich längst aus dem Staub gemacht. Einige davon haben sich nach dem Krieg sogar nochmal gemeldet.
Mit dem Einmarsch der amerikanischen Soldaten im März 1945 war der Krieg vorbei. Anders als in Selzen wurde in Hahnheim mit schrecklichen Folgen sinnlos Widerstand geleistet. Deutsche Soldaten hatten in Hahnheim Flak-Geschütze, unter anderem die „Acht-Acht“ aufgebaut und beschossen die Amerikaner, die mit Panzern und Bodentruppen nach Selzen und Hahnheim vorrückten. Einige Panzer wurden abgeschossen. Wir als Kinder haben später in den Panzern Versteck gespielt. Hahnheim traf es schlimm durch den Widerstand der deutschen Soldaten. Die Amerikaner warfen Handgranaten in die Keller. Es gab Tote und Verletzte, auch unter der Bevölkerung. In Selzen gab es noch einzelne kleine Schusswechsel und Tote. Wenn einer sich nicht ergeben wollte, wurde er erschossen und zur Mahnung liegen gelassen. Wir Jungen sahen noch, wie die Amerikaner ihre Toten auf einen Lastwagen gelegt und abtransportiert haben.
Spott und Süssigkeiten
Dann begann die Besetzung einiger Häuser. Hauptsächlich die Häuser der Selzer, die in der Partei waren. Mein Vater war – wie nicht wenige anderen Selzer auch – Mitglied in der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei). Die Amerikaner waren darüber bestens informiert und mit dem spöttischen Gruß Heil Hitler kamen sie in unser Haus. Wir und die aufgenommenen Bekannten aus Mainz mussten das Haus verlassen und schliefen und wohnten daraufhin im Keller. Nach 14 Tagen konnten wir wieder in unser Haus einziehen. Alles war verwüstet und zerschlagen. Die Wurst weg, das Mehl verschüttet, das Fleisch im Stenner war ungenießbar, weil sie hinein gepinkelt hatten. Andererseits konnten wir Kinder von einigen Soldaten alles bekommen, ob Schokolade oder andere Süßigkeiten. Sie waren sehr kinderlieb.
Die „Amis“ haben viel Sekt getrunken, den sie kastenweise aus der Kupferberg Sektkellerei mitgenommen hatten. Ein Erlebnis ist besonders in Erinnerung geblieben. Auf dem Speicher hatten wir Weizen zum Brot backen. Davon haben die Soldaten einen Eimer gefüllt, für das Vieh in den Hof gekippt und Sekt darüber geschüttet.
"Die Hühner und der Hahn waren besoffen und taumelten – zur Freude der Amerikaner – durch den Hof."
Zu dieser Zeit gab es einige Unfälle, weil überall Munition, Waffen und Handgranaten herumlagen. Gleich mehrere Selzer Jugendliche wurden beim Spielen und herumexperimentieren schwer verletzt.
So langsam begann auch wieder der Schulunterricht. Es gab mit Georg Keller zunächst nur einen Selzer Lehrer. Die anderen Lehrer waren Hilfslehrer. Lehrer Wilhelm Wagner durfte noch keine Schule halten, weil auch er in der Partei gewesen war und überprüft werden musste.
Heimzahlung und Demütigung
1946 rückten die Amerikaner ab und wir gehörten zur französische Besatzungszone. Die Franzosen behandelten uns sehr viel schlechter als die Amerikaner. Vermögen der ehemaligen NSDAP-Mitglieder wurde beschlagnahmt. Jetzt war für Einige die Zeit der Abrechnung für die erlittene Ungerechtigkeit gekommen. Zusammen mit den Franzosen zogen sie in die Häuser der ehemaligen Nationalsozialisten und entwendeten alles was nicht niet- und nagelfest war. Von meinem Opa aus Flonheim hatte wir ein Schwein bekommen. Das wurde ebenso beschlagnahmt wie Bettwäsche, Radio oder Fahrrad. Vieles davon fand den Weg zu anderen Selzer Familien. Alles Vieh musste den Franzosen vorgeführt werden und was gefiel, wurde beschlagnahmt.
In der Gaustraße im Garten von Albert Götter wurde ein Fahnenmast aufgebaut. Die Häuser von Alfred Bläser, Georg Bläser und Philipp Best wurden weiß angelegt.
"Jeden Morgen wurden die Selzer zusammengerufen und die Trikolore mit Musik gehisst. Das gleiche zum Einholen der Fahne am Abend."
Unglück folgt Jahrhundertdürre
Mein Vater war in Gefangenschaft geraten und - wie viele der ersten Kriegsgefangene der Amerikaner - in die Staaten gebracht worden. Meine Mutter hielt den Betrieb in Ordnung, unterstützt durch Freunde, wie Georg Vollrat. Dieser war Knecht bei Otto Kessel und half für Essen und Trinken an jedem Wochenende aus. Im Frühjahr 1947 kam mein Vater aus der Gefangenschaft nach Hause. Die letzten Tage hatte er nach seine Rückkehr aus Amerika im Internierungslager in Darmstadt verbracht. Nach Rückkehr und Meldung begann für ihn die Entnazifizierung, mit anschließenden finanziellen Wiedergutmachungsleistungen.
Zu allem Unglück war 1947 ein Jahr der großen Dürre. Die Selz hatte kein Wasser mehr und man konnte sie trockenen Fußes überqueren und zum Bahnhof laufen.
"Kartoffeln waren bei der Ernte so klein wie Walnüsse."
In den Gärten wuchs kaum etwas. Es war ein Wunder, dass wir unser Vieh durch den Dürresommer hindurch retten konnten.
1948 gab es die Währungsreform und die Deutsche Mark ersetzte die Reichsmark. Jeder Bürger erhielt 40 DM. ³
10 Tage zuvor hatten die Franzosen den Wein der letzten Ernte beschlagnahmt. Wir mussten ihn an den Bahnhof fahren und in Waggons laden. Dann wurde der Wein, der nach der Währungsreform wieder richtig Geld eingebracht hätte, weggebracht.
1949 gab es eine bekannte Diebesbande die Wein stahl, bevor er von den Franzosen beschlagnahmt wurde. In diesem Jahr hatten sie uns durch ein Kellerloch in der Einfahrt von Anton Bingenheimer hunderte Liter Wein mit einem Schlauch abgezogen. Unser Hund schlug an, aber niemand dachte, dass jemand im Keller sein könnte.
Zu dieser Zeit kamen viele Mainzer mit dem Zug aufs Land, da die Hungersnot groß war. Es wurde für Essen, vor allem Wurst und Kartoffeln, alles mögliche eingetauscht.
"Manchmal wurden über Nacht ganze Kartoffelfelder leergeräumt."
Für die Kinder gab es in der Schule etwas zu essen. Aber nicht alle bekamen aus den großen Kesseln etwas ab. Kinder deren Eltern Landwirtschaft betrieben, gingen leer aus. Obwohl auch sie auch oft Hunger litten.
Meine Schwester Hildegard wurde 1949 konfirmiert. Es wurde im kleinen Rahmen gefeiert, denn das Geld war knapp. Mit dem Weinanbau hatten wir auch Pech. 1950 hatten wir drei Morgen Weinberge angelegt, aber ein schweres Unwetter spülte und riss viele der Reben weg. Ein anderes Mal waren die Reben die wir gekauft hatten, nicht in Ordnung und nur ein Bruchteil wuchs an. Der Schaden war jeweils sehr groß.
Das Ende der Jugend
1950 liefen dann die Vorbereitungen für meine Konfirmation. Drei Wochen vorher wurde für mich ein Konfirmandenanzug gekauft. Wir Jugendlichen waren sehr stolz darauf. Acht Tage vor dem Fest durfte ich meinen Anzug zum ersten Mal anziehen. Wir sind auf den Sportplatz gegangen um Fußball zu schauen und ich blieb unterwegs an einem Gartenzaun hängen und zerriss meine Anzugshose. Das Donnerwetter war riesengroß. Die Hose wurde in Alzey gestopft, so dass davon kaum etwas zu sehen war.
Im selben Jahr gab es ein großes Fest, als die erste neugegossene Glocke der evangelischen Kirche nach Selzen gebracht wurde. In einem großen Festumzug wurde die Glocke mit dem Pferdegespann durch die Straßen von Selzen gefahren. Alle Vereine marschierten mit. Die Glocken wurde in den Schulhof in der Kirchstraße gefahren und dort geweiht.
"Für uns Jugendliche war es ein Erlebnis, wie die Glocke mit Seilwinden in den Kirchturm gezogen wurden."
Wir Schüler mussten auch bei nicht so schönen Prozessionen mitgehen. Bei Beerdi-gungen begleiteten wir den Trauerzug und sangen unter der Leitung von August Reck Lieder. Damals wurde der Sarg mit dem Leichenwagen und Pferdegespann vom Wohnhaus zum Friedhof gefahren. Der Leichenwagen wurde zu jener Zeit von unserem Nachbar Anton Bingenheimer gefahren und von seinem Pferd Max gezogen. Es war sehr feierlich, denn die Kutscher waren mit schwarzem Gehrock, Zylinder und weißen Handschuhen gekleidet. Die Träger des Sarges gingen rechts und links neben dem Leichenwagen. Es waren meist die Nachbarn oder Freunde. Der Lohn für die Sargträger war eine Flasche Wein und Beerdigungskuchen.
Im Jahr 1950 endete meine Schulzeit.
Manch einer sagt gern an dieser Stelle "Jetzt beginnt der Ernst des Lebens". Ich glaube ... wir Kinder der Kriegs- und Nachkriegsjahre hatte ihn schon vorher kennen gelernt.
Quellen:
Text (überarbeitet und ergänzt) aus: "Horst Strubel - Gedanken und Erinnerungen". Biographie von Horst Strubel, 1935-2010., Seite 1 bis 13 (von 84), 2010.
¹ Fotografien (Reproduktion) aus dem Foto-Archiv der Familie Strubel.
² Fotografie (Reproduktion) aus: Selzen - Bilder aus vergangenen Tagen 1900-1945. Gemeinde Selzen, Horb am Neckar, 1989.
³ Fotografien (Reproduktion) aus Wikipedia, Gemeinfrei.
⁴ Fotografie (Reproduktion) aus Fotoarchiv Stefan Bremler.
⁵ Fotografien (Reproduktionen) aus Foto-Archiv der Familie Keller.
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